Erstmals verfassungsrechtliche Zweifel an der Verzinsung von 6 % p. a. für Verzinsungszeiträume nach dem 01.04.2015

04. Sep 2018

Verfassungsrechtliche Zweifel an der Verzinsung von 6 % p. a. für Verzinsungszeiträume nach dem 01.04.2015

Mit Beschluss des BFH vom 25.04.2018 (IX B 21/18) äußert dieser schwerwiegende verfassungsrechtliche Zweifel an der in § 238 (1) Satz 1 AO geregelten Höhe von Nachzahlungszinsen von 0,5 Prozent für jeden vollen Monat (6 % p.a.) für Verzinsungszeiträume ab dem 01.04.2015.


In der Urteilsbegründung, der ein Verfahren zur Aussetzung der Vollziehung (AdV) vorausging, stützt der BFH seine verfassungsrechtlichen Zweifel insbesondere darauf, dass die realitätsferne Bemessung der Zinshöhe, einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 (1) GG und das Übermaßverbot des Art. 20 (3) GG darstellt.
Der gesetzlich festgelegte Zinssatz gem. § 238 (1) Satz 1 AO überschreitet für den Verzinsungszeitraum ab 01.04.2015, angesichts des zu diesem Zeitpunkt bereits eingetretenen strukturellen und nachhaltig verfestigten niedrigen Marktzinsniveaus, den angemessenen Rahmen der wirtschaftlichen Realität in erheblichem Maße.
Die seit 1961 unveränderte Zinshöhe gem. § 238 (1) Satz 1 AO, der eine Typisierung des Zinssatzes mit dem Interesse an Praktikabilität und Verwaltungsvereinfachung zugrunde liegt, ist angesichts der gänzlich veränderten technischen Möglichkeiten und des Einsatzes moderner Datenverarbeitungstechniken nicht mehr tragbar. So könne angesichts der auf moderner Datenverarbeitung gestützten Automation in der Steuerverwaltung auch Erwägungen der Praktikabilität und Verwaltungsvereinfachung einer Anpassung der Zinshöhe an den jeweiligen Marktzins oder an den Basiszinssatz i. S. d. § 247 BGB nicht mehr entgegenstehen.


Überdies stellt die realitätsferne Bemessung der Zinshöhe, in Zeiten eines strukturellen Niedrigzinsniveaus, einen sanktionierenden, rechtsgrundlosen Zuschlag auf die Steuerfestsetzung dar. Dies ist ein Verstoß gegen das Übermaßverbot i. S. d. Art. 20 (3) GG.


Die Verwaltung hat bereits auf die geänderte Rechtsprechung des BFH, ohne Anerkenntnis der Verfassungswidrigkeit der Zinshöhe, reagiert. Gem. BMF-Schreiben vom 14.06.2018 gewährt die Verwaltung für Verzinsungszeiträume ab dem 01.04.2015, auf Antrag des Zinsschuldners, Aussetzung der Vollziehung gegen vollziehbare Zinsfestsetzungen, denen der Zinssatz nach § 238 (1) Satz 1 AO zugrunde gelegt wird.


Für Verzinsungszeiträume vor dem 01.04.2015 wird Aussetzung der Vollziehung nur gewährt, wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige Härte darstellt.


StB Marcel Peetz (B.Sc.)
04.09.2018

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